Poems set to music by Johannes Brahms

Brahms Lieder recorded by Fritz Wunderlich.

op. 14, 1

Vor dem Fenster

Folk Song

Soll sich der Mond nicht heller scheinen,
Soll sich die Sonn' nicht früh aufgehn,
So will ich diese Nacht gehn freien,
Wie ich zuvor auch hab' getan.

Als er wohl auf die Gasse trat,
Da fing er an ein Lied und sang,
Er sang aus schöner, aus heller Stimme,
Daß sein fein's Lieb zum Bett aussprang.

Steh still, steh still, mein feines Lieb,
Steh still, steh still und rühr dich nicht,
Sonst weckst du Vater, sonst weckst du Mutter,
Das ist uns beiden nicht wohlgetan.

Was frag' ich nach Vater, was frag' ich nach Mutter,
Vor deinem Schlaffenster muß ich stehn,
Ich will mein schönes Lieb anschauen,
Um das ich muß so ferne gehn.

Da standen die zwei wohl beieinander
Mit ihren zarten Mündelein,
Der Wächter blies wohl in sein Hörnelein,
Ade, es muß geschieden sein.

Scheiden, Scheiden über Scheiden,
Scheiden tut meinem jungen Herzen weh,
Daß ich mein schön Herzlieb muß meiden,
Das vergeß' ich nimmermehr.


op. 14, 4

Sonett

by Johann Gottfried Herder (1744-1803), after French poem by Thibaut IV. Conte de Champagne et Roi de Navarre (13th century)

Ach, könnt' ich, könnte vergessen sie,
Ihr schönes, liebes, liebliches Wesen,
Den Blick, die freundliche Lippe die!
Vielleicht ich möchte genesen!

Doch ach, mein Herz, mein Herz kann es nie!
Und doch ist's Wahnsinn, zu hoffen sie!
Und um sie schweben,
Gibt Mut und Leben,
Zu weichen nie.

Und denn, wie kann ich vergessen sie,
Ihr schönes, liebes, liebliches Wesen,
Den Blick, die freundliche Lippe die?
Viel lieber nimmer genesen!


op. 14, 5

Trennung

traditional Westphalian, from Kretzschmer/Zuccalmaglio: "Deutsche Volkslieder"

Wach auf, wach auf, du junger Gesell,
Du hast so lang geschlafen.
Da draußen singen die Vögel hell,
Der Fuhrmann lärmt auf der Gassen!

Wach auf, wach auf, mit heller Stimm',
Hub an der Wächter zu rufen,
Wo zwei Herzlieben beisammen sind,
Da müssen sie sein gar kluge.

Der Knabe war verschlafen gar,
Er schlief so lang, so süße,
Die Jungfrau aber weise war,
Weckt' ihn durch ihre Küsse!

Das Scheiden, Scheiden tuet not,
Wie Tod ist es so harte,
Der scheid't auch manches Mündlein rot
Und manche Buhlen zarte.

Der Knabe auf sein Rößlein sprang
Und trabte schnell von dannen,
Die Jungfrau sah ihm lange nach,
Groß Leid tat sie umfangen!


op. 43, 2

Die Mainacht

by Ludwig H. Chr. Hölty (1748-1776)

Wann der silberne Mond durch die Gesträuche blinkt,
Und sein schlummerndes Licht über den Rasen streut,
Und die Nachtigall flötet,
Wandl' ich traurig von Busch zu Busch.

Selig preis ich dich dann, flötende Nachtigall,
Weil dein Weibchen mit dir wohnet in einem Nest,
Ihrem singenden Gatten
Tausend trauliche Küße gibt.

Überhüllet von Laub girret ein Taubenpaar
Sein Entzücken mir vor; aber ich wende mich,
Suche dunklere Schatten,
Und die einsame Träne rinnt.

Wann, o lächelndes Bild, welches wie Morgenrot
Durch die Seele mir strahlt, find ich auf Erden dich?
Und die einsame Träne
Bebt mir heißer die Wang herab!


op. 47, 3

Sonntag

by Ludwig Uhland (1787-1862)

So hab' ich doch die ganze Woche
Mein feines Liebchen nicht geseh'n,
Ich sah es an einem Sonntag
Wohl vor der Türe steh'n:
Das tausendschöne Jungfräulein,
Das tausendschöne Herzelein,
Wollte Gott, wollte Gott, ich wär' heute bei ihr!

So will mir doch die ganze Woche
Das Lachen nicht vergeh'n,
Ich sah es an einem Sonntag
Wohl in die Kirche geh'n:
Das tausendschöne Jungfräulein,
Das tausendschöne Herzelein,
Wollte Gott, wollte Gott, ich wär' heute bei ihr!


op. 47, 4

O liebliche Wangen

by Paul Fleming (1609-1640), slightly changed by Brahms

O liebliche Wangen,
Ihr macht mir Verlangen,
Dies rote, dies weiße
Zu schauen mit Fleiße.
Und dies nur alleine
Ist's nicht, was ich meine,
Zu schauen, zu grüssen,
Zu rühren, zu küssen!
Ihr macht mir Verlangen,
O liebliche Wangen!

O Sonne der Wonne!
O Wonne der Sonne!
O Augen, so saugen
Das Licht meiner Augen.
O englische Sinnen!
O himmlisch Beginnen!
O Himmel auf Erden,
Magst du mir nicht werden,
O Wonne der Sonne!
O Sonne der Wonne!

O Schönste der Schönen!
Benimm mir dies Sehnen,
Komm, eile, komm, komme,
Du süße, du fromme!
Ach, Schwester, ich sterbe,
Ich sterb', ich verderbe,
Komm, komme, komm, eile
Benimm mir dies Sehnen,
O Schönste der Schönen!


op. 71, 5

Minnelied

by Ludwig H. Chr. Hölty (1748-1776)

Holder klingt der Vogelsang,
Wenn die Engelreine,
Die mein Jünglingsherz bezwang
Wandelt durch die Haine.

Röter blühen Tal und Au,
Grüner wird der Wasen,
Wo die Finger meiner Frau
Maienblumen lasen.

Ohne sie ist alles tot,
Welk sind Blüt' und Kräuter;
Und kein Frühlingsabendrot
Dünkt mir schön und heiter.

Traute, minnigliche Frau,
Wollest nimmer fliehen;
Daß mein Herz, gleich dieser Au,
Mög' in Wonne blühen!


Volks-Kinderlieder WoO 31

Trad. German

2. Die Nachtigall


Sitzt a schöns Vögerl aufm Dannabaum,
tut nix als singa und schrain,
was muß denn das für a Vögerl sain?
Das muß a Nachtigall sain!

Noan, mai Schatz, das is koan Nachtigall,
noan, mai Schatz, das darfst nit glaubn,
koan Nachtigall schlägt auf oanam Dannabaum,
schlägt in a Haselnußstaudn.


Deutsche Volkslieder WoO 32

Trad. German

19. Die Versuchung


Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehn,
Du zertrittst dir die zarten Füßlein schön.

Wie sollte ich denn nicht barfuß gehn,
Hab keine Schuhe ja anzuziehn.

Feinsliebchen willst du mein eigen sein,
So kaufe ich dir ein Paar Schühlein fein.

Wie könnte ich euer eigen sein.
Ich bin ein arm Dienstmägdelein.

Und bist du arm, so nehm ich dich doch.
Du hast ja Ehr und Treue noch.

Die Ehr und Treu mir keiner nahm,
Ich bin wie ich von der Mutter kam.

Und Ehr und Treu ist besser wie Geld.
Ich nehm mir ein Weib, das mir gefällt.

Was zog er aus seiner Tasche fein?
Mein Herz, von Gold ein Ringelein!


Deutsche Volkslieder WoO 33

Trad. German

6. Da unten im Tale


Da unten im Tale
Läuft's Wasser so trüb,
Und i kann dirs nit sagen,
I hab di so lieb.

Sprichst allweil von Lieb,
Sprichst allweil von Treu,
Und a bissele Falschheit
Is au wohl dabei!

Und wenn i dirs zehnmal sag,
Daß i di lieb,
Und du willst nit verstehen,
Muß i halt weiter gehn.

Für die Zeit, wo du g'liebt mi hast,
Dank i dir schön,
Und i wünsch, daß dirs anderswo
Besser mag gehn.


Deutsche Volkslieder WoO 33

Trad. German

36. Es wohnet ein Fiedler


Es wohnet ein Fiedler zu Frankfurt am Main,
der kehret von lustiger Zeche heim,
und er traut auf den Markt,
was schaut er dort?
Der schönen Frauen
schmausten gar viel an dem Ort.

Du buckligter Fiedler, nun fiedle uns auf,
wir wollen dir zahlen des Lohnes vollauf!
Einen feinen Tanz, behende gegeigt,
Walpurgis Nacht wir heuer gefei'rt.

Der Geiger strich einen fröhlichen Tanz,
die Frauen tanzten den Rosenkranz,
und die erste sprach: mein lieber Sohn,
du geigtest so frisch, hab' nun deinen Lohn.

Sie griff ihm behend' unter's Wams sofort,
und nahm ihm den Höcker vom Rücken fort:
so gehe nun hin, mein schlanker Gesell,
dich nimmt nun jedwede Jungfrau zur Stell'.


English translations of many Brahms Lieder are available at www.recmusic.org.

Fritz Wunderlich Discography