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Auf der Tournee mit dem "Lied von der Erde" war ich dem "Wundertenor" Fritz Wunderlich nicht zum ersten Mal begegnet, ihm, der so tragisch früh nach einem Sturz von hoher Treppe sein Leben lassen mußte. Aber hier fanden wir Gelegenheit, zusammen ein "Lippen-Horn-Duett" zu blasen. Bevor wir in Hannover aufs Podium der Stadthalle stiegen, hörte ich Fritz in seiner Garderobe den "Jägerchor" aus dem "Freischütz" summen. Gleich fügte ich, ein Horn imitierend, die zweite Stimme dazu, und es folgte ein Gang durch die entsprechende Hornliteratur, dem dann auch der aufmerksam gewordene Keilberth zuhörte, sich vor Lachen biegend. Wunderlich war in der Tat ein professioneller Hornist, bevor er es vorzog zu singen.
1956, bei der Ansbacher Bach-Woche, standen wir mit zwei weltlichen Kantaten des Thomas-Kantors zum ersten Mal nebeneinander. Nachdem Werner Egk den Eingangschor "Auf, schmetternde Töne" geprobt hatte, erhob sich Fritz Wunderlich und sang. Fast erschrak ich beim Hören, denn diese Stimme hatte einen berückenden Schmelz und dabei doch das notwendige Gran Metall im Klang, wie es so von deutschen Tenören schon seit langem nicht mehr zu vernehmen war.
In der Probenpause fragte ich den still in einer Saalecke wartenden Mann, wo er denn herkomme und seit wann er sänge. Er hatte sich der Öffentlichkeit bisher nur in einigen Konzerten (meist mit dem Begleiter Hubert Giesen) (1) präsentiert, das solle sich mit seinem Engagement an die Württembergische Staatsoper nun ändern.
In Berlin versäumte ich es nicht, dem Schallplattenproduzenten der Electrola, Fritz Ganss, von diesem Phänomen vorzuschwärmen, und vielleicht haben meine immer wieder fallengelassenen Bemerkungen das Zögern vor der ersten wichtigen Plattenaufnahme mit Fritz Wunderlich verkürzt. Als ich mich am "Fliegenden Holländer" Wagners unter Franz Konwitschny versuchte, sang Wunderlich frisch und hochmusikalisch den Steuermann, nicht lange darauf den Walther von der Vogelweide im "Tannhäuser" in gleicher Umgebung. Dann aber folgte der Evangelist in der "Johannes-Passion" Bachs als erste große Aufnahme. Mir imponierte die Gelassenheit, mit der der junge Mann mit dem Schalk in Auge und Nacken all die Proben- und Wiederholungsprozeduren über sich ergehen ließ. Der Dirigent Karl Forster (Abbé am Dirigentenpult und Leiter des Hedwigs-Chores, mit dem ich seit meinem ersten Berliner Orchesterkonzert verbunden war) hatte leichtes Spiel mit ihm. Ich war auch einmal Zaungast bei der Hauptprobe von Werner Egks "Verlobung von San Domingo" in der Bayerischen Staatsoper und sah in all der rennenden und gackernden Hühnerhof-Atmosphäre Wunderlich völlig gesammelt abwarten, was sich denn wohl sonst noch ereignen würde.
Diese äußere Ruhe bereicherte zwar seine Bühnendarstellung nicht sonderlich, sicherte aber seinem Organ den Schutz für schlackenlose Tonproduktion. Noten und Vortrag waren diesem Erzmusikanten rasch und zuverlässig verfügbar, und gelegentlich, wenn auch sehr selten, ließ er einen Verbesserungsvorschlag einem Kollegen gegenüber hören. In Bamberg nahmen wir Szenen aus Lortzings "Zar und Zimmermann" auf. Ihm gefiel mein sehr breites Tempo für das Zarenlied nicht. Ich ging auf seine Kritik ein und profitierte davon.
© by Deutsche Verlags-Anstalt, 1987. Thanks to Ted Davidson for providing this text.
Andreas Praefcke, 1998.